Verena Gremmer Fotografie
Lockdownkultur
Die Münchner Fotografin Verena Gremmer hat Bühnenkünstler*innen während des Corona-Lockdowns bei sich daheim porträtiert und interviewt.
In meinem Fotoprojekt „Lockdownkultur“ porträtiere ich Münchner Bühnenkünstler*innen während des Lockdowns bei sich daheim von aussen durchs Fenster und lasse sie schildern, wie Ihr Leben seit Anfang der Pandemie verlaufen ist.
(Stand Februar 2021)
Miriam Brenner, 42
als KlinikClown auf Kinderstationen „Supermäm“, als Clown bei Erwachsenen "Freulein Lilo Musi“, als Clown ohne Grenzen in Syrien „Falafel“, in deutschen Flüchtlingseinrichtungen „Mädmoisell“
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Ich wechsle zwischen Clownerie, Schauspiel und Musik hin und her. Also entweder stehe ich auf der Bühne im Theater oder bei sonstigen Veranstaltungen, spiele in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Hospizen für schwerkranke Kinder und Erwachsene als Clown oder ich bin mit meiner Band auf Hochzeiten, Messen, Veranstaltungen …
Meine eigene Musik kann ich gerade auch nirgendwo spielen.
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
Vor 20 Jahren begann ich als Moderatorin, Schauspielerin, Musikerin selbständig zu arbeiten. Ich liebe es andere Menschen mit meiner Arbeit zu berühren und Ihnen eventuell neue (Gefühls-)Impulse zu geben.
• Hast Du noch andere Jobs? Welche?
Ich habe ca. 15 Jahre ausschließlich von der Kunst gelebt. Mittlerweile bin ich beim Bestatter tätig. Als der 1. Lockdown eintrat, fielen 100% meiner Einnahmen weg. Da musste ich schnell handeln. Diese Tätigkeit hat mich jedoch auch schon immer interessiert und nun habe ich die zeitliche Gelegenheit beim Schopf gepackt und mich dort beworben.
• Wie oft und wo bist Du vor Corona aufgetreten?
Als KlinikClown ca. 2-3x in der Woche, als Musikerin 1x die Woche, als Schauspielerin kurz vor Corona 6x die Woche abends. Ich hatte einen Vertrag der über 75 Vorstellungen ging. Davon konnte ich gerade mal 14 Vorstellungen spielen.
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
Gemeinsam mit meinem Kollegen habe ich zunächst online Visiten für die Kinderonkologie in Augsburg gemacht. Nach dem ersten heftigen Lockdown kamen langsam und allmählich andere Einrichtungen wieder auf uns zu uns baten uns KlinikClowns wieder zu kommen. Bei manchen Einrichtungen durften wir jedoch nur von außen im Garten oder an den Fenstern spielen. Hochzeiten und andere Auftritte mit der Band oder meiner eigenen Musik fielen zum Großteil bzw. komplett weg. Statt der geplanten 20 Gigs, habe ich 4 gespielt.
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Ich habe die Bayerische Soforthilfe beantragt und einen Teil bekommen. Außerdem habe ich bei der „Freien Szene München“ einen Antrag zur Unterstützung für Kulturschaffende gestellt und ebenfalls Hilfe bekommen. Mein Bestatterjob ist momentan noch auf 450€ Basis. Wenn es so weitergeht, werde ich mich Teilzeit anstellen lassen. Ausserdem habe ich angefangen Trauerreden zu halten. Damit verdiene ich ebenfalls einen Teil meiner Ausfälle zurück.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Als Akteurin - nein. Meine Musik wurde mal für ein Video verwendet, mehr nicht. Ich hab mir ein paar Sachen angeschaut. Anfangs war es nett, aber irgendwann empfand ich es zu überladen und übertrieben (für meinen Geschmack), was an Output von den unterschiedlichen Künstlern so kam.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Ich übe in ein paar meiner Bereiche sogar mehr als vorher.
• Hast Du das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Die Gesellschaft zum Großteil ja, da sie sich ja in der Lockdown-hardcore Zeit damit haben berieseln lassen (Filme schauen, Musik hören, Bücher lesen, virtuelle Kunstgalerien besuchen, …), aber dass Künstler davon leben MÜSSEN, verstehen mittlerweile vielleicht mehr als vorher.
Mein Eindruck ist, dass es zwei extreme Ansichten von Künstler*innnen gibt: Entweder wird man belächelt und als weltfremde*r Hippi-Kiffende*r-Rasta-Mann/Frau gesehen oder genau das Gegenteil: reich, Jetsetter*in, Koksnäschen … dass es Abermillionen dazwischen gibt, ist für viele schwer zu glauben. Wertschätzung von Seiten der Politik kann ich leider nur schwer erkennen. Uns wurden viele Steine in den Weg gelegt. Mir scheint, als versteht die Politik unsere Welt nicht. Da sind eher die Politiker weltfremd - und zwar uns gegenüber.
• Findest Du die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Nachdem sich viele in den Sommermonaten nicht an die Regeln gehalten haben, bekommen wir nun die Rechnung dafür. Viele Maßnahmen kann ich nicht nachvollziehen und gerade Kunst, Kultur, die ganzen Solo-Selbständigen und die Gastronomie haben sich solche Mühe gegeben, sich an die AHA-Regeln & Co. zu halten. Mit viel zusätzlichen finanziellen Ausgaben wurde ALLES dafür gegeben, den hygienischen Ansprüchen gerecht zu werden und nun werden sie bitter abgewatscht.
Anderes Beispiel in einem komplett anderen Bereich: Wie erklärt die Politik z. B. auch so etwas wie „Friseure dürfen aufhaben, Nagelstudios nicht“. Es findet so viel Ungleichheit, Ungerechtigkeit statt, es ist ein Ausbluten von vielen kulturellen Einrichtungen Clubs, Bars, kleinen Theatern und Bühnen … es ist bitter dabei zusehen zu müssen, wie sie einen langen Sterbeprozess vor sich haben. Das tut weh. Ich würde definitiv die Kultureinrichtungen offen lassen. Radikal wäre, wenn wir mal genau das Gegenteil machen würden: alle wirtschaftsrelevanten Institutionen müssen zu machen und alle Kultur-Kunst-Gastro-Einrichtungen, alle Solo-Selbständigen dürfen unter Einhaltung der AHA-Regeln weiterarbeiten.
• Möchtest Du noch etwas loswerden?
Kultur und Künstlerszene, die Soloselbständigen, Gastronomen usw. benötigen dringend eine eigene Lobby. Zwar bin ich gegen Lobbyarbeit, aber nur so haben wir eine Chance, gehört zu werden und auf WIRKLICHE Veränderung. Meine Kolleg*Innen, ich und alle in meinem Umfeld haben sich so gut es geht an die Maßnahmen gehalten, damit unsere Arbeit so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden kann. Es tat weh und hat mich wütend gemacht, dass so viele Menschen v. a. in München im Sommer gefühlt nur am Feiern waren an der Isarpromenade, an anderen Plätzen oder auch Zuhause aktiv „Corona-Parties“ gefeiert haben. Sich an Abstand halten, habe ich draußen nicht gesehen. Im Supermarkt sowieso nicht. Pole-Position an der Klorollen-Abteilung … mon dieu! Ich würde mir so sehr wünschen, dass Menschen, die nicht kulturschaffend oder selbständig tätig sind, sich wenigstens mal für eine Sekunde in uns hineinversetzen, um zu verstehen, was diese ganze Situation für Auswirkungen auf uns hat. Die Krise trifft langsam und allmählich auch Berufstätige, die nicht im Kulturbereich tätig sind, die in Kurzarbeit versetzt wurden, vermeintlich sichere Jobs, … ich wünsche es niemandem diese existenzielle Krise durchmachen zu müssen, wie wir Künstler es tun müssen, doch vielleicht wachen dadurch viele erst auf und können dann endlich damit beginnen, das Leben und die Kreativität von uns Kulturschaffenden zu wertschätzen. Ohne Kunst und Kultur sind wir verloren.
René Frotscher, 51
„René `Mazing“ auf englisch, „Zauberer René“ für Kinder
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Ich bin Zauberkünstler sowohl für Erwachsene als auch Kinder, trete seit über 30 Jahren in Theatern, auf Firmenfeiern, Privatfeiern, in Kindergärten, Schulen, etc. auf.
• Wie oft bist Du vor Corona aufgetreten?
Pro Woche im Schnitt 3x.
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
Im Schnitt 0x.
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Ich habe im ersten Lockdown die bayerische Hilfe für Soloselbstständige bekommen, das war noch bevor sie an diese ganzen Auflagen geknüpft war. Zum Glück konnte ich bei meinen meisten abgesagten Terminen eine 50%ige Anzahlung für einen Nachholtermin aushandeln. Meine Frau ist in Kurzarbeit und kann viele von den laufenden Kosten übernehmen, die normalerweise ich zahle. Gleich zu Beginn der Pandemie habe ich meine Einkommenssteuervorauszahlung und die Künstlersozialkasse-Beiträge heruntergeschraubt, das war eine große Hilfe. Dieses Jahr werde ich etwa zwei Drittel weniger verdienen als letztes Jahr und damit komme ich noch aus, da wir zu zweit sind und ich nie über meine Verhältnisse gelebt habe.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Ja, diese werden aber hier im deutschsprachigen Raum nicht so gut angenommen wie in englischsprachigen Ländern. Online-Shows sind natürlich nicht mit echten Auftritten vergleichbar, mir haben sie aber mehr Spaß gemacht, als Vorstellungen bei denen das Publikum mit Maske vor der Bühne sitzt.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Nein. Zur Zeit fehlt mir die Motivation weil alles so ungewiss ist. Ich werde weiter versuchen Online-Shows zu verkaufen und Zauberunterricht zu geben, aber sehe mich auch in anderen Bereichen nach Weiterbildungen um. Wahrscheinlich werde ich wieder wie früher mehr Übersetzungen machen.
• Hast Du das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Ich weiss daß ich in der Vergangenheit sehr viele Steuern gezahlt habe und jetzt ein Berufsverbot habe obwohl es nicht wirklich Sinn macht. Geschäfte haben auf, Friseure dürfen Haare schneiden, aber Tätowierer, Visagisten oder Künstler dürfen nicht arbeiten. Die Politik hat viel zu viel Geld in die Luftfahrt- und Autoindustrie gesteckt und Flüge und Bus- und Bahnfahrten erlaubt, bei denen die Menschen dicht an dicht sitzen, aber Theater mit guten Hygienekonzepten werden geschlossen, das ist schlicht unverschämt. Ich fühle mich von der Politik durch die ganzen Auflagen, die einfach nicht durchdacht sind, verarscht.
• Möchtest Du noch etwas loswerden?
Von der bisherigen Soforthilfe profitieren genau die, die durch hohe Ausgaben jedes Jahr ihre Steuern reduzieren und nicht die, die mit Verstand wirtschaften.
Michael Mauder, 27
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Ich bin StandUp-Comedian und Moderator.
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
Meinen ersten Auftritt als Comedian hatte ich im Mai 2016. Am meisten liebe ich die direkte Reaktion des Publikums auf neu geschriebenes Material. Ein so direktes Feedback auf seine Kunst gibt es selten.
• Hast Du noch andere Jobs? Welche?
Seit Sommer 2019 arbeite ich als Comedyautor für verschiedene TV- und Online-Formate.
• Wie oft und wo bist Du vor Corona aufgetreten?
Teilweise bis zu vier mal die Woche auf den kleinen OpenMic-Shows in München und auf größeren Shows deutschlandweit. Ende Januar hatte ich meinen ersten einstündigen Soloabend.
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
Nur bei einer handvoll kleiner Shows über den Sommer, allesamt mit gutem Hygienekonzept.
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Da ich von meinen Autorenjobs lebe, bin ich nicht auf die Einkünfte durch die Bühne angewiesen und musste auch keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Ich war Teil einer Zoom-Comedyshow, das war sehr ernüchternd, da ich an meinem Schreibtisch sitzend mein Programm spielen musste, was sich sehr komisch angefühlt hat. Einen Livestream haben wir im Theater Drehleier aufgenommen, das hat deutlich mehr Spaß gemacht, da man dort mit den Kollegen interagieren konnte und auf einer Bühne stand.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Da man StandUp-Comedy meiner Meinung nach ohne Publikum nicht üben kann, hab ich nur etwas an meinem Material geschrieben. Ohne zu wissen, wann man das nächste mal spielen kann ist es auch nicht wirklich möglich viel Neues zu Entwickeln. Der Autorenjob hält mich jedoch fit und schlagfertig.
• Hast Du das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Ich glaube die Wertschätzung ist nicht das Problem, es ist eben sehr einfach als Corona-Maßnahme Kulturveranstaltungen zu verbieten. Allerdings wird meiner Meinung nach viel zu wenig an die Langzeitfolgen gedacht, die das für die Künstler und Veranstalter hat.
• Findest Du die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Der 'Lockdown light' ist schon gerechtfertigt, ich finde nur, dass jeder für sich die Maßnahmen etwas ernster nehmen sollte. Die Menschen haben keine Lust mehr auf die Pandemie, und ich glaube genau deswegen wird sie uns noch länger erhalten bleiben.
Irene Weber & Claudia Schuma
Die Puderdose
• Welche Art Bühnenkünstler*innen seid Ihr?
Wir sind Kabarettistinnen und bilden zusammen das Kabarettduo „Die Puderdose“. Die Puderdose macht Kabarett zu so genannten „Frauenthemen“, authentisch, einzigartig und äußerst unkonventionell, denn sie stoppt dabei nicht an der Gürtellinie. Alles kommt auf den satirischen Seziertisch und wird in klassischen Kabarettnummern, Comedydarbietungen oder herzzerreißenden Liedern zerlegt und mit neuem (Un)Sinn versehen.
• Wie lange arbeitet Ihr schon als Bühnenkünstler*innen und was liebt Ihr an Eurer Kunst?
Seit 20 Jahren. Wir sind eitel, wir brauchen den Applaus als Selbstbestätigung. Und wir brauchen das Geld. Und ein ganz ein Bisschen mögen wir es auch, Menschen zum Lachen zu bringen. Und zum Nachdenken. Im besten Fall.
• Habt Ihr noch andere Jobs? Welche?
Natürlich, wir wohnen in München …
Die Eine im BMW-Museum, die Andere ist Sprecherin.
• Wie oft und wo seid Ihr vor Corona aufgetreten?
Regelmäßig in ganz Deutschland. (Wir sind sehr berühmt. Googelt berühmt, dann kommt unser Bild.)
• Wie oft und wo seid Ihr seit Corona aufgetreten?
Nicht oft. Aber regelmäßig zuhause vor Männern und Kindern. (Mit grandiosem Erfolg)
• Wie kommt Ihr seit Corona über die Runden? Habt Ihr staatliche Hilfe bekommen?
Ja, wir haben staatliche Hilfe bekommen, reicht hinten und vorne nicht. Die Nebenjobs auch in Kurzarbeit. Familie musste aushelfen.
• Übt Ihr noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive seht Ihr für Eure Kunst?
Wir sind nun sehr geübt im Trinken, da macht uns keiner was vor. Man hat uns gezeigt, dass erst das Fressen, dann das Klopapier, dann die Autoindustrie und erst dann die Moral kommt. Aber was sollen wir machen? Wir machen weiter und spielen auf den Bühnen, die überlebt haben für die Leute, die überlebt haben.
• Habt Ihr das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Eure Kunst wertschätzt?
Das Publikum sehr, ein Mann hat uns sogar jedem einen 10er Trinkgeld gegeben. Die Politik tut sich schwer damit. Sogar mit Trinkgeld.
• Findet Ihr die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdet Ihr anders machen?
Alles dicht oder keiner dicht. Manche Entscheider*innen sind nicht ganz dicht. Und wir sind dichter.
• Möchtet Ihr noch etwas loswerden?
Prost!
Katrin Sofie F., 43
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Ich mache Musik (Gesang/Rap/Bass) in verschiedenen Bands und Performance-Projekten. Mein Hauptprojekt ist die Band „Katrin Sofie F. und der Däne“ mit Spoken Beat, einer Mischung aus Spoken Word, Punk und Lo-Fi.
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
Ich arbeite seit 20 Jahren auf der Bühne, zunächst als Schauspielerin, dann als Musikerin. Die Bühne ist der Platz, an dem ich mich sicher und sauwohl fühle. Ich liebe es, mit dem Publikum Energie auszutauschen und die Menschen mit unserer eher ungewöhnlichen Musik und meinen Texten positiv zu verwirren.
• Hast Du noch andere Jobs? Welche?
Ich verdiene mein Geld hauptsächlich als freiberufliche Texterin.
• Wie oft und wo bist Du vor Corona aufgetreten?
Ca. zwischen drei und sieben Mal im Monat – in der Kleinkunst- und Kabarettszene.
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
Dreimal Open Air bei den großartigen Import/Export Open, einmal drinnen im Vereinsheim (in der sehr kurzen Phase, in der das möglich war) und zweimal bei einem Online-Konzert.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Habe ich. Ich finde es grundsätzlich gut, dass die Künstler*innen aktiv bleiben und mach da auch gerne mit. Es ist aber für beide Seiten natürlich nicht annähernd so intensiv wie bei einem Live-Auftritt. Gerade bei Musikdarbietungen können technische Schwierigkeiten, wie z. B. ein langsames Internet, leicht den Auftritt ruinieren.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Ich bin in den Lockdown-Phasen für gewöhnlich ziemlich kreativ und nutze die Zeit, um daheim Neues auszuprobieren und, insofern es die Bestimmungen zulassen, auch gemeinsam im Proberaum Sachen auszuprobieren und zu jammen. Bis wieder richtige Punk- oder Rockkonzerte stattfinden können, wird es allerdings noch sehr, sehr lange dauern, da mache ich mir keine Illusionen. Ich bin in diesem Fall froh, mit fast allen Projekten musikalisch so flexibel zu sein, um auch vor einem sitzenden Publikum auftreten zu können.
• Hast Du das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Ich glaube, dass die fundamentale Bedeutung der Subkultur (gerade für eine Stadt wie München) von der Politik nicht angemessen erkannt wird. Anstatt alles totzuverdichten, sollten mehr Freiräume auch für unangepasste Formen von Kunst und Kultur jenseits der Hochkultur entstehen.
• Findest Du die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Ich finde die Maßnahmen gerechtfertigt. Mittlerweile sind wir ja schon wieder im harten Lockdown (der im Vergleich zu anderen Ländern immer noch eher light ist). Ich glaube, dass es von keinem zuviel verlangt ist, seine Komfortzone zu verlassen und sich solidarisch zu verhalten, d. h. die grundlegenden Maßnahmen wie Maske tragen, Abstand halten und Kontakte reduzieren mitzutragen. Andererseits glaube ich nicht, dass Kulturbetriebe zu den Treibern der Pandemie gehören. Diese sollten nach Ende des harten Lockdowns, wenn auch die Gastro wieder öffnen darf, ebenfalls wieder starten dürfen.
Elsie Marley, 37
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Bühnenkünstlerin im Bereich Cabaret und Burlesque, Moderatorin, Schauspielerin, Sängerin und Songwriterin, zusätzlich produziere ich eine länderübergreifende Burlesque-Tournee-Produktion mit festem Ensemble namens "Tits and Jazz".
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
Seit 10 Jahren stehe ich auf der Bühne und ich liebe die Unabhängigkeit von gängigen Schönheitsidealen und Kulturtrends. Burlesque ist eine Kunst, die hauptsächlich von Frauen für Frauen aufgeführt wird, Body-Positivity und Feminismus stehen dabei meist im Vordergrund. Wir sind unsere eigene Chefin, Kostüm-Designerin, Regisseurin, Choreographin, usw.
• Hast Du noch andere Jobs? Welche?
Als Solo-Selbständige arbeite ich zweimal im Jahr zusätzlich auf dem Tollwood, als Standleitung für einen Schmuckstand.
• Wie oft und wo bist Du vor Corona aufgetreten?
Seit der Geburt meiner Tochter habe ich das viele Reisen natürlich einschränken müssen, war dieses Jahr aber bereits in UK und Polen vor dem ersten Lockdown. In der Regel trat ich 2 - 4 mal im Monat auf.
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Nein, da ich bisher keinen Anspruch auf staatliche Hilfe hatte. Mein Mann arbeitet seit März in einem sozialversicherungspflichtigen Job. Ohne seine Unterstützung würde ich nicht über die Runden kommen.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Bereits im Mai haben wir mit dem "Tits and Jazz"-Ensemble eine Online-Show produziert, live aus dem Theater Drehleier ohne Publikum, aber mit Gästen aus USA und der Schweiz. Es war schön, dass auch Zuschauer aus verschiedenen Ländern (u. a. Spanien, UK, usw.) dabei waren. Trotzdem hat das gewisse Etwas gefehlt, weil ich finde dass meine Kunst am besten mit der Energie des Publikums und der Spontanität des Augenblicks funktioniert.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Da ich immer eine Deadline hatte, auf die ich hinarbeiten konnte, und diese auch brauche als Motivation, fällt es mir schwer ohne konkrete Aufgabe zu üben. Ich könnte zwar öfter die Ukulele, Gitarre oder Tanzschuhe zur Hand nehmen, aber meistens bin ich Abends zu erschöpft dafür. Außerdem besteht eben ein großer Teil meiner Arbeit in der Improvisation des Augenblicks. Schlagfertigkeit und Bühnenpräsenz lassen sich schlecht in einem leeren Raum üben.
Kunst verändert sich andauernd, wir sind alle Teilnehmer und Katalysatoren des Wandels und somit werden wir diese Krise schon überstehen. Eine große Sorge bleibt dabei, ob es nach dem Lockdown noch Cabarets und Kleinkunstbühnen gibt, auf denen wir dann wieder auftreten können.
• Hast Du das Gefühl, dass die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Kunst erhält und steigert die Lebensqualität, speziell in schwierigen Zeiten, und hat sogar die Macht die Welt zu verändern. Leider ist diese Meinung in Deutschland nicht sehr weit verbreitet und wie man sieht, in der Politik noch längst nicht angekommen.
Es macht mich traurig und wütend, dass die Menschen, die am Boden der Gesellschaftspyramide Ihr Leben dafür aufopfern, um den Menschen in Ihren 9 to 5 Jobs den Alltag zu erleichtern und ein paar sorglose Stunden zu ermöglichen, am wenigsten wertgeschätzt und unterstützt werden durch sogenannte Hilfs-Pakete und Rettungsschirme.
• Findest Du die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Da wir es ja anscheinend mit einem sehr ansteckenden Virus zu tun haben, finde ich die Hygiene-Regeln und Lockdowns durchaus gerechtfertigt. 'Wir bleiben zu Hause, damit wenn wir uns wieder treffen niemand fehlt.' - diesen Spruch aus dem Internet finde ich sehr weise und tröstlich. Weiterhin würde ich mir klare und schnelle Hilfe für die Kultur wünschen. Ich kann die ewigen Floskeln 'die Wirtschaft darf nicht zusammenbrechen' á la Altmeier und Co. nicht mehr hören. Wir sind auch ein wichtiger Teil der Wirtschaft, kapiert das mal endlich!
• Möchtest Du noch etwas loswerden?
In den guten Momenten in denen ich meine Angst überwinden kann, bin ich auch sehr dankbar für diese Zeit und sehe sie als Geschenk. Da ich wieder anfing zu arbeiten als meine Tochter 3 Monate alt war, haben wir nie zuvor soviel intensive Zeit zusammen verbracht in der ich nicht an meine Arbeit denken muss und sie meine ungeteilte Aufmerksamkeit hat.
Lukas Brandl, 26
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Ich arbeite als Zirkuskünstler interdisziplinär. Mein Schwerpunkt liegt auf der Jonglage und Zauberei, welche ich in meiner Bühnendarbietung „Alyate“ mit Tanz/Akrobatik in einen dramaturgischen Kontext setze.
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
2008 hatte ich mit der Zauberei angefangen und mich immer mehr vom zeitgenössischen Zirkus inspirieren lassen. Meine Leidenschaft hat sich zu meinem Beruf entwickelt.
Es ist unfassbar bereichernd, Menschen mit dem eigenen Beruf glücklich zu machen, sie zu inspirieren und sich auch mit kritischen Themen auseinander setzen zu können.
• Hast Du noch andere Jobs?
Seit 2014 bin ich bei der Schauspielagentur Anne Walcher unter Vertag und wirkte bei verschiedensten Tv- und freien Filmprojekten mit. Zudem bin ich als Trainer im Kinder- und Jugendzirkus Leopoldini tätig.
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
Im August 2020 hatte ich ein vierwöchiges Engagement in den Swarovski Kristallwelten.
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Neben der Soforthilfe und den November- und Dezember-Hilfen habe ich online Unterricht für die Schüler*innen des Zirkus Leopoldini gegeben. Zudem hatte ich vereinzelt Drehs als Schauspieler und habe auch hinter der Kamera als Ton- und Kameramann bei einer kleinen Tv-Produktion gearbeitet.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Nein, stattdessen habe ich meine künstlerische Bühnenarbeit filmisch inszeniert.
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Mein Trainingspensum ist höher bzw. konstanter als vor der Corona Pandemie, was daran liegt, dass ich nicht durch die Weltgeschichte reise um Shows zu spielen. Film ist eine große Leiden-schaft von mir und eng mit meinem Beruf verbunden, daher kann ich mir gut vorstellen, dass meine Kunst mehr Platz im digitalen Raum einnehmen wird. Im Kontrast dazu werden viele Veranstaltungen in den kommenden Jahren vielleicht lokaler orientiert sein.
• Hast Du das Gefühl, dass die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Grundsätzlich schon, allerdings sollten in meinen Augen Künstler*innen viel stärker unterstützt werden. In Frankreich z. B. werden Künstler*innen unter bestimmten Voraussetzungen vom Staat bezahlt. Das eröffnet ganz andere Möglichkeiten, wirklich künstlerisch frei zu arbeiten.
• Findest Du die Corona-Maßnahmen gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Die Vorgehensweise ist nicht ideal gelaufen, trotzdem denke ich, dass die meisten Maßnahmen Sinn machen. Problematisch sehe ich vor allem, dass die Schulen dauerhaft geschlossen wurden und Kinder, die ohnehin schon Probleme in der Schule haben, extreme Schwierigkeiten haben mitzuhalten. Anders machen … keine Ahnung, ich bin kein Experte. Auf die Wissenschaft-ler*innen hören und das Vorgehen auf die Klimawandelbekämpfung übertragen.
Ralph A. Uhlig, 57
KAKTUS FX
• Welche Art Bühnenkünstler*in bist Du?
Special Effect Man, Lichtdesigner, Requisitenentwickler, Regisseur, Dramaturg
• Wie lange arbeitest Du schon als Bühnenkünstler*in und was liebst Du an Deiner Kunst?
Beginn 1976, hauptberuflich seit 1981. Ich liebe besonders die Vielseitigkeit!
• Hast Du noch andere Jobs? Welche?
nein
• Wie oft und wo bist Du vor Corona aufgetreten?
ca. 130 - 150 Projekte pro Jahr
• Wie oft und wo bist Du seit Corona aufgetreten?
ca. 20 Projekte
• Wie kommst Du seit Corona über die Runden? Hast Du staatliche Hilfe bekommen?
Einbuße ca. 90%. Keine Hilfen.
• Hast Du an digitalen Shows/Streams teilgenommen? Wie waren Deine Erfahrungen?
Zwei Online-Seminare und ein Podcast. Es ist wesentlich schwieriger, eine Beziehung zu den Zuschauern aufzubauen!
• Übst Du noch genau so viel wie vorher? Welche Perspektive siehst Du für Deine Kunst?
Ich investiere etwa genauso viel Zeit, hauptsächlich für Neuentwicklungen. Mein Gefühl sagt mir, das Geschäft wird sich erst in der zweiten Hälfte 2021 langsam normalisieren und wir benötigen 3-4 Jahre, um dort anzukommen, wo wir vor Corona waren.
• Hast Du das Gefühl, daß die Gesellschaft/die Politik Deine Kunst wertschätzt?
Leider nein.
• Findest Du die aktuellen Corona-Maßnahmen („Lockdown Light“) gerechtfertigt? Was würdest Du anders machen?
Sinnvoller wäre gewesen, beide Lockdowns rigoroser durchzuführen! Diese Light-Versionen greifen nach meinem Empfinden nicht genug.
• Möchtest Du noch etwas loswerden?
Ich fordere alle auf, haltet Euch strikt an alle Vorschriften, vermeidet möglichst alle Kontakte und bleibt positiv!
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